In einer Zeit, in der die Gesellschaft und damit Schulen vor vielen Herausforderungen standen und stehen, bietet die positive Schulentwicklung ein empirisch fundiertes Konzept, das den Blick hin zu einer positiv konnotierten Bildungslandschaft öffnet.
Ulrike Lichtinger, die eine Professur für Schulpädagogik an der Universität Eichstätt innehat, gibt in ihrem Buch Essentiels „Positive Schulentwicklung“ einen kompakten Überblick zu einer spezifischen Methode der positiven Psychologie in der Organisationsentwicklung im Schulkontext. Sie nimmt dabei Bezug auf ein Konzept von Seligman, dass sie jedoch für das Setting Schule angepasst hat und welches sich derzeit in einer praktischen Erprobungsphase befindet.
Das Konzept der Positiven Schulentwicklung (folgend POSE genannt) ist angelehnt an die traditionelle Schulentwicklung und beinhaltet zudem Elemente der Positiven Psychologie.
Im Zentrum steht dabei die Fokussierung auf eine Stärken- und Wachstumsorientierung, im Gegensatz zu einer – insbesondere in Schule – häufig vorherrschenden Defizitorientierung. Ulrike Lichtinger sieht die Schulweiterentwicklung als einen andauernden Prozess an, der nie zum Stillstand kommt.
Seinen Grundgedanken findet die POSE auf der Individualebene in Seligmans Theorie des gelernten Optimismus. Sie besagt, dass das Talent, Freude zu empfinden, gefördert und trainiert werden kann. Sie beschreibt weiter jeden Menschen als autonom und entscheidungsmächtig, sodass einjede/-r sich „im Wissen um seine [ihre] Stärken den ihm [ihr] begegnenden Herausforderungen im Leben stellen kann“ (Seligman, Csikszentmihalyi z.n. Lichtinger 2022, S. 3). Den Gedanken der positiv abweichenden Handlung adaptiert Ulrike Lichtinger für einen systematischen Übertrag in das Schulsetting. Es zählt nicht ausschließlich das rein akademische Leistungsmessen, sondern gleichfalls die soziale Komponente des Wohlbefindens. Unter Annahme der These, dass ein Mehr an Wohlbefinden zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit führt, werden diese zwei Aspekte zu einer ganzheitlichen Basis des anvisierten Entwicklungsprozesses.
Ziel ist es, durch die Steigerung des Wohlbefindens eines/r jeden direkt an Schule Beteiligten (wie Schüler/-innen, Lehrkräften und Schulleitungen) Schule für alle gelingend zu gestalten und von einem statischen Konzept hin zu einem dynamisch ausgelegten Schulhandeln zu gelangen, in dem jede/-r seine Autonomie wart.
Methodisch agiert Ulrike Lichtinger anhand eines Interaktionsmodells, dass sich ebenfalls an Seligman anlehnt. Mit ihrem Konzept namens PERMAchange knüpft sie sich an ein forschungsbasiertes Konzept an, das dennoch handlungsorientiert aufgebaut ist. Die fünf Zielkategorien des PERMAchange bilden eine Basis, auf der aufbauend ein Schulentwicklungsprozess gemäß dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus (Deming Kreis) folgt. Die Zielkategorien sind:
Die Leitungsebene hat in diesem Prozess eine zentrale Rolle. „Ihre Haltung und Vision ist maßgeblich für die Entwicklung, da sie sowohl positiv als auch negativ für emotionale Ansteckung und Modell sorgen“ (Rozin, Royzman z.n. Lichtinger 2022, S. 26). Doch auch das Kohärenzgefühl im Kollegium ist eine entscheidende Komponente. Damit sich auch die Lehrkräfte in der Vorstellung – Vision – über die Zukunft der Schule wiederfinden, ist ein partizipativer Führungsstil empfehlenswert, in dem eine gemeinsame Zielentwicklung vollzogen wird.
Als Schlüsselelemente für eine POSE haben sich in der Forschung die „Autonomie der Akteure[/-innen] innen und außen, Positive Leadership der Leitung, Pilotierung von Bildungspraxis, Visionäre Prozesse mit Zielhierarchien und Evaluation sowie Wohlbefinden mit PERMA“ (S. 25) dargestellt.
In der Begleitforschung stellte sich zudem heraus, dass eine externe Schulentwicklungsbegleitung hilfreich sein kann, um den komplexen Prozess der (Positiven) Schulentwicklung strukturiert voranzutreiben.
Mit dem auf die Schule adaptierten PERMA-Modell bietet Ulrike Lichtinger einen Ansatz der Positiven Schulentwicklung, der sich auf ein partizipatives Schulleben ausrichtet. Dieser Ansatz bietet die Möglichkeit, auf der Basis einer gemeinsamen Vision in einem guten Miteinander die eigene Institution weiterzuentwickeln und dabei die Potenziale der/des Einzelnen wertzuschätzen.
Dabei werden die Mitglieder des Settings Schule als Menschen mit Emotionen geachtet, ihr Wohlbefinden fokussiert und kann dabei zudem zu einem Erfolg führen, der sich auch in einer messbaren Leistungssteigerung spiegelt.