In den letzten Jahren haben sich die Lehr- und Lernformen enorm entwickelt und sind nicht mehr mit jenen des letzten Jahrhunderts zu vergleichen. Handlungsorientierter Unterricht und freies Arbeiten sind mittlerweile bei vielen Lehrpersonen fester Bestandteil der Unterrichtsorganisation. In diesem Zusammenhang gibt es ebenfalls die Möglichkeit mit Projekten zu arbeiten. So beschreiben Emer und Lenzen (2002) die Entwicklung des Projektunterrichts:
„Der Projektunterricht ist heute selbstverständlicher geworden; er wird in den Handbüchern der Schulpädagogik (Meyer 1997) ebenso erwähnt wie in Rahmenplänen und fachdidaktischen Kommentaren. Er bietet kein Bedrohungspotenzial mehr für das System Schule, er erfährt seines Veränderungspotenzials wegen vielmehr eine völlig neue Wertschätzung“ (S. 1).
Pädagogisch ausgerichtete Aktivitäten sowie ein festgelegter Zeitrahmen mit definiertem Anfang und Ende kennzeichnen Projektarbeit. Grundlegend für diese Form des Arbeitens und Unterrichtens ist die Bereitschaft der Lehrkraft die Lernenden autonom und frei an die Aufgaben herangehenzulassen und ihnen den nötigen Raum und die Zeit zu lassen sich zu entwickeln und ihr Ziel zu erreichen. Projekte, die durch das Interesse und die Dynamik der Schülerschaft entstehen verknüpfen das Potenzial einer ganzen Gruppe; auf diese Weise entstehen die Chance und das Potential unterschiedliche Lernprozesse in Verbindung zu setzen. Dennoch bedarf es der Unterstützung der Lehrperson indem diese die SchülerInnen mit Methodik und Logik im Prozess begleitet und regelmäßig Mithilfe anbietet.
Weiter definieren Dornbusch und Trelewsky (2016) Projektarbeit:
„Projektarbeit ist das selbständige Bearbeiten einer Aufgabe oder eines Problems durch eine Gruppe von der Planung über die Durchführung bis zur Präsentation des Ergebnisses. Projektarbeit ist eine Methode demokratischen und handlungsorientierten Lernens, bei der sich Lernende zur Bearbeitung einer Aufgabe oder eines Problems zusammenfinden, um in größtmöglicher Eigenverantwortung immer auch handelnd-lernend tätig zu sein“ (S. 20).
Zu einem Projekt gehören unterschiedliche Phasen, so zum Beispiel die Planung, die Umsetzung, aber auch die Auswertung. So unterscheidet Gudjons (2014) zwischen mehreren Schritten in der Projektarbeit: als erstes geht es um die Auswahl einer für den Erwerb von Erfahrungen geeigneten, problemhaltigen Sachlage. Anschließend steht die Entwicklung eines gemeinsamen Plans zur Problemlösung im Mittelpunkt. Der dritte Schritt besteht aus der handlungsorientierten Auseinandersetzung mit dem Problem und der vierte und letzte Schritt ist die Überprüfung der erarbeiteten Problemlösung an der Wirklichkeit. Emer und Lenzen (2002) haben ihrerseits zwei Ausgangspunkte für Projektarbeit festgehalten, 3 Arbeitsformen und zwei Zielhorizonte. Der Aufbau überschneidet sich oft mit den Ansichten von Gudjons, da sie unter anderem auf seine Sichtweise aufbauen.
Gudjons (2014) hat zu jedem seiner genannten Projekt-Schritte mehrere Merkmale festgehalten, so zum Beispiel der Situationsbezug bei der Auswahl der problemhaltigen Sachlage. Bei einem Projekt handelt es sich nicht nur um einen Fachaspekt, sondern um Fragestellungen, die über das Fach hinausgehen und dazu einen Realitätsbezug zum Alltag der SchülerInnen haben. Emer und Lenzen (2002) sprechen in diesem Zusammenhang vom „Gesellschaftsbezug“ und vom „Lebenspraxisbezug“ (S. 116).
Gudjons (2014) weist darauf hin, dass Projekte einen anderen „Ernstcharakter [haben] als manche, der bloßen Stoffvermittlung dienende Unterrichtsstunde; sie greifen bisweilen sogar direkt in lokale Entwicklungen ein, verändern praktisch etwas“ (S. 81).
Ein weiteres Merkmal, das Gudjons (2014) nennt ist die Orientierung an den Interessen der Beteiligten. Das Interesse der SchülerInnen muss dabei meistens erst geweckt werden, was dem Aufgabenbereich der Lehrperson zufällt. Gudjons (2014) erklärt:
„Interessen zu wecken, z.B. durch erste angeleitete Handlungserfahrungen (Ausprobieren, Stutzen, Nicht-weiter-Wissen), durch Filme, Besichtigungen und anderes mehr, gehört deshalb durchaus mit zum Beginn des Projektprozesses“ (S. 80).
Bastian (2017) weist auf die Herausforderung des Anfangs der Projektarbeit hin. Das Thema muss der Klasse so eröffnet werden, dass sowohl die SchülerInnen, als auch die Lehrperson Motivation für die Lösungssuche verspüren.
Des Weiteren sind laut Gudjons (2014) die zielgerichtete Projektplanung und die Selbstorganisation und Selbstverantwortung bei der gemeinsamen Planung zur Problemlösung wichtige Merkmale. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Lehrperson für diese Schritte nicht allein verantwortlich ist, sondern es sich um ein gemeinsames Vorgehen zwischen LehrerIn und Schülerschaft handeln sollte. Gudjons (2014) behauptet sogar:
„Sind die Schüler und Schülerinnen – auch im handelnden Unterricht – allerdings lediglich Ausführende von Arbeitsanweisungen, die ihnen andere geben, so sollte man nicht von Projektunterricht sprechen“ (S. 83).
Dornbusch und Trelewsky (2016) unterscheiden in diesem Zusammenhang drei unterschiedliche Ansätze der Projektformen, die durch das jeweilige Ausmaß an Hilfestellungen und Anleitungen der Lehrkraft in Kontrast zu einander stehen. Des Weiteren ist jede Form anhand des Niveaus an Autonomie und Eigenverantwortung der SchülerInnen zu unterscheiden. Die Autoren sprechen von (a) der Projektanbahnung, (b) der Projektorientierung und (c) der „echten“ Projektarbeit.
Die Projektanbahnung (a) ist daran zu erkennen, dass die Lehrperson das Thema der Projektarbeit festlegt, als auch die Ziele und Gruppen definiert und die Arbeitsschritte festlegt. Zusätzlich stellt die Lehrkraft den Lernenden das notwenige Material zur Verfügung. Laut Dornbusch und Trelewsky (2016) handelt es sich hierbei eher um eine fachspezifische Planung, die als Gruppenarbeit mit finaler Präsentation definiert werden könnte.
Die Mitte der drei Ansätze stellt der projektorientierte Unterricht (b) dar. Die Lehrkraft und die Schülerschaft sind hierbei gemeinsam für das Festlegen der Ziele, der Arbeitsschritte und des Materials verantwortlich. Die Lernenden dürfen und sollen mitbestimmen, während die Lehrperson die Rolle des Koordinators übernimmt und die SchülerInnen mit Hinweisen und Vorschlägen unterstützt. Bei dieser Form der Projektarbeit ist das End-Produkt weniger klassisch und besteht meist aus ergänzenden Gruppenergebnissen (Dornbusch&Trelewsky, 2016).
Zuletzt nennen Dornbusch und Trelewsky (2016) die „echte“ Projektarbeit (c). Die SchülerInnen werden hierbei als autonome Lernende gesehen, die sich aktiv an der Planung und Durchführung beteiligen. Als Beobachter und Ansprechpartner tritt die Lehrkraft in den Hintergrund, da die Schülerschaft die Ziele, Arbeitsschritte, Materialien, Gruppen und Arbeiten selbstständig durchgeführt. Bei dieser Form der Projektarbeit fließen mehrere Fächer ineinander und es sind mehrere Lehrkräfte beteiligt. Das Produkt, das in seiner Gesamtheit eine Innovation darstellt, wird in einer Präsentation erläutert und ist als Arbeitsergebnis der gesamten Gruppe wahrzunehmen.
Gudjons (2014) betont bei der tatsächlichen Auseinandersetzung mit der Problemsituation, die Wichtigkeit der Einbeziehung vieler Sinne und das soziale Lernen. Im Projektunterricht sollte sowohl der Kopf beansprucht werden als auch die Gefühle, die Hände, die Augen, der Mund, usw. Emer und Lenzen (2002) bestätigen die Wichtigkeit des ganzheitlichen Arbeitens:
„Die einseitige Kopfarbeit soll aufgehoben werden. Lernen mit allen Sinnen, mit „Kopf, Herz und Hand“ (Pestalozzi) ist Ziel. Kreatives, rezeptives, produktives und affektives Handeln sind zu verbinden“ (S. 116).
Eine solche Arbeitsweise fordert demnach auch die Kooperation und die Kommunikation zwischen den Handelnden:
„Zusammenarbeit in Gruppen, Koordination der Gruppenarbeiten zu einem Ganzen, Interessenausgleich, Beachtung der gruppendynamischen Ebene usw. sind Faktoren der Projektarbeit, die soziale Lernprozesse erforderlich machen“ (Gudjons, 2014, S. 85).
Schlussendlich nennt Gudjons (2014) beim letzten Schritt der Projektarbeit, also bei der Überprüfung der erarbeiteten Problemlösung an der Wirklichkeit, die Merkmale der Produktorientierung, die Interdisziplinarität und die Grenzen des Projektunterrichts. Gemeint ist mit der Produktorientierung, dass die Problemerarbeitung zu einem anderen Ergebnis als im traditionellen Unterricht führen sollte. Dies scheint schlüssig, wenn man das Merkmal der Interdisziplinarität hinzuzieht. „Projektunterricht überschreitet Fächergrenzen“ (Gudjons, 2014, S. 89). Auch Emer und Lenzen (2002) weisen darauf hin, dass Projekte unterschiedliche Methoden und Inhalten der verschiedenen Fächer integrieren müssen, „um Probleme und Themen der ungefächerten Realität angemessen zu bearbeiten“ (S. 116).
Emer und Lenzen (2002) sprechen von der kommunikativen Vermittlung:
„Zu einem Projekt gehört die Präsentation und Vermittlung des Produkts nach außen. In der Kommunikation mit einer begrenzten Öffentlichkeit kommt das Produkt erst wirklich zur Geltung“ (S. 117).
Die Grenzen des Projektunterrichts als Merkmal für Projektarbeit zielen darauf ab, sich bewusst zu sein, dass Projektarbeit nicht immer angebracht ist. Gudjons (2014) fasst zusammen:
„Der Projektunterricht hat dort seine Grenzen, wo andere Unterrichtsformen ihren berechtigten Stellenwert haben“ (S. 89).
Auch Emer und Lenzen (2002) weisen darauf hin, dass es auch Skeptiker gegenüber des Projektunterrichts gibt:
„Der Projektunterricht ist kein Patentunterricht, nicht die allein selig machende Unterrichtsform“ (S. 38).
Zu beachten gilt außerdem, dass bei Projektarbeit oft eine prägende Differenz zwischen dem Plan und der Verwirklichung besteht. Schnell wird der geplante Ablauf beeinflusst und erfordert Anpassungen. Unterschiedliche Tools, Steuer- oder Planungsmodelle können die Projektarbeit begleiten und mitstrukturieren, dennoch hat jedes Projekt seinen eigenen Charakter, sowie jedes Team seine eigene Ausdrucksart und seinen eigenen Stil. Wichtig ist deswegen auch, dass die Lehrperson anpassungsfähig und spontan bleibt und alle Beteiligten einbindet und mitverantwortlich macht. Ferstl (2004) meint:
„Eine positive Einstellung zu lösbaren Problemen ist bereits der halbe Erfolg“ (S.14).
Bastian, J. (2017). Unterrichtsentwicklung. Studienbrief SM0820 des Master-Fernstudienganges Schulmanagement der TU Kaiserslautern. Unveröffentlichtes Manuskript. Kaiserslautern.
Dornbusch R. & Trelewsky K. (2016). Keine Angst vor Projektarbeit! So gelingen Themenfindung, Umsetzung und Bewertung. Berlin: Cornelson Verlag.
Emer, W. & Lenzen, K.D. (2002). Projektunterricht gestalten – Schule verändern. Hohengehren: Schneider Verlag Hohengehren.
Ferstl E. (2004) Zwischenrufe Aphorismen, Vechta: Geest-Verlag.
Gudjons, H. (2014). Handlungsorientiert lehren und lernen: Schüleraktivierung – Selbsttätigkeit – Projektarbeit. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
Heidling E. (2018). Projektarbeit. In: Böhle F., Voß G.G., Wachtler G. (eds) Handbuch Arbeitssoziologie. Springer VS, Wiesbaden. Abgerufen am 04.11.2021 von https://doi.org/10.1007/978-3-658-21704-4_7