Culture scolaire

Wahrnehmung und Gestaltung von Lehrer/-innen-Schüler/-innen-Beziehungen an Schulen in herausfordernder Lage

Kontext

Der vorliegende Artikel befasst sich mit der Studie Schulen in herausfordernden Lagen – Forschungsbefunde und Schulentwicklung in der Region Ruhr. Das Projekt « Potenziale entwickeln – Schulen stärken », insbesondere mit dem Thema Wahrnehmung und Gestaltung von Lehrer/-innen-Schüler/-innen-Beziehungen an Schulen in herausfordernder Lage.

Studie

Die dreijährige Studie hatte als Ziel, zentrale Kriterien zu bestimmen, die sich positiv auf die Beziehungsqualität zwischen Schüler/-innen und Lehrer/-innen auswirken.

Ein positives Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schüler/-innen hat nach aktuellen nationalen und internationalen Studien nicht nur statistisch signifikante Effekte auf die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung der Schüler/-innen sondern auch auf die Selbstwirksamkeit und Motivation der Lehrkräfte.

Die Bedeutsamkeit der Beziehungsebene zeigt sich auch besonders bei Schulen in herausfordernder Lage, wo Studien auf den Einfluss auf die Bildungsgerechtigkeit verweisen und die Bildungschancen erhöhen. Ein Zugewinn für Lehrkräfte und Schüler/-innen durch ein positives Verhältnis kann in mehreren Studien nachgewiesen werden und sollte für alle Beteiligten erstrebenswert sein.

Schulen müssen schlussfolgernd zu ihrer Schulentwicklungsarbeit notwendigerweise ein Programm zur Veränderung der Lehrer/-innen-Schüler/-innen-Beziehungen mitbringen, dessen Einlösung auch empirisch überprüft werden kann.

Wertschätzende und anerkennende Lehrer/-innen-Schüler/-innen-Beziehungen wirken sich ebenso positiv auf Lernleistungen, Fähigkeitsbild, Wohlbefinden, emotionales Erleben und Motivation aus. Umgekehrt weisen mehrere Untersuchungen den negativen Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten von Schüler/-innen (wie Unaufmerksamkeit, Störungen oder Disziplinarprobleme im Unterricht), und dem schlechten Wohlbefinden der Lehrkräfte, verminderter Arbeitsbegeisterung und emotionaler Erschöpfung auf.

Zwei Schulen wurden fokussiert, bei denen sich während der Projektzeit die Beziehungen der Lehrer-/innen-Schüler/-innen-Beziehung aus Sicht der Lehrkräfte im längsschnittlichen Vergleich messbar verbessert haben: die als Pseudonym umbenannte Baumschule[1]und die Vogelschule[2].

Da in mehreren im Text beschriebenen Studien die Wichtigkeit einer tragfähigen Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler/-innen festgestellt werden konnte, welche sich durch eine ressourcenorientierte Grundhaltung der Lehrkräfte auszeichnet, kann diese als Qualitätsmerkmal einer guten Schule angesehen werden. Sie begünstigt die Lernbereitschaft und das Selbstbild der Schüler/-innen und somit auch den Lernerfolg. Diese Befunde sind besonders relevant vor dem Hintergrund dass in verschiedenen Studien aufgezeigt wurde dass die Wahrnehmung der Schüler/-innen und Eltern an Schulen in sozial-räumlich deprivierter Lage eher problemorientiert als anerkennend und wertschätzend ist. Defizitperspektiven und fehlender Respekt vonseiten der Lehrkräfte können jedoch einen negativen Einfluss z.B. auf die Beurteilung der individuellen Leistungsfähigkeit haben.

Resultate

Diese Ergebnisse erklären den im hier vorliegenden Potenziale-Projekt gesetzten Entwicklungsschwerpunkt Ressourcennutzung. Angesichts ähnlicher interner und externer Bedingungen wurden die beiden oben genannten Schulen gemeinsam mit vier Gesamtschulen und einer Hauptschule in ein Netzwerk zusammengeführt. Diese datengestützte Netzwerkzusammenstellung wird von den Projektbeteiligten als wichtige Grundlage für die gemeinsame Auseinandersetzung mit Möglichkeiten für die Schulentwicklung angesehen. Eine übergeordnete Rolle spielt die Erkenntnis, dass alle Schulen in einem Netzwerk ähnliche Problemlagen haben. Diese trägt von Anfang an zur offenen Kommunikation aller Netzwerkteilnehmenden bei.

Die einzelnen Elemente des designorientierten Schulentwicklungsansatzes (Evidenzbasierung, schulformübergreifende und überregionale Netzwerkarbeit, einzelschulische Schulentwicklungsberatung und -begleitung, kontextsensible und passgenaue Unterstützungsangebote) haben sich schlussendlich als wichtig und ausschlaggebend herausgestellt.

Darüber hinaus zeigt sich in Analysen, dass die Entwicklungsfähigkeit der Schulen durch das Handeln der Schulleitung maßgeblich beeinflusst wird. Durch den Wechsel der Schulleitung an beiden Schulen wird eine an die Bedürfnisse und Erfahrungen der Schüler/-innen ausgerichtete Schul- und Unterrichtsgestaltung in den Mittelpunkt gestellt. Nachhaltige Bedingungen und Strukturen für die Verbesserung von Lehr-Lernprozessen wird durch die Begleitende Lehrkraft in diesem Zusammenhang positiv begünstigt.


[1] “Gemäß der Befragung der Schüler*innenschaft liegt der Sozialindex der Baumschule bei 100,1 Indexpunkten. Projektschulen gleicher Schulformen weisen im Durchschnitt 106,9 Indexpunkte auf. Ein höherer Indexwert steht für eine eher sozial privilegierte Zusammensetzung der Schüler*innenschaft, ein geringerer Wert zeigt hingegen eine eher sozial benachteiligte Schüler*innenschaft an. Aus den Angaben der Schüler*innen zu ihrem Geburtsland sowie den Geburtsländern ihrer Eltern wurde der Migrationshintergrund gebildet. Demnach ergibt sich ein Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund von 59,3 Prozent. An den Projektschulen gleicher Schulform liegt dieser im Vergleich dazu bei 36,6 Prozent” (S.288)
[2] “Gemäß der Befragung der Schüler*innenschaft liegt der Sozialindex der Vogelschule bei 95,9 Indexpunkten. Projektschulen gleicher Schulformen weisen im Durchschnitt 95,5 Indexpunkte auf. Der Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund beträgt 56,6 Prozent. An den Projektschulen gleicher Schulform liegt dieser im Vergleich dazu bei 48,1 Prozent.” (S.292)

 

Wahrnehmung und Gestaltung von Lehrer/-innen-Schüler/-innen-Beziehungen an Schulen in herausfordernder Lage
Sabrina Rutter, Nina Bremm & Stefanie Wachs
In: Schulen in herausfordernden Lagen – Forschungsbefunde und Schulentwicklung in der Region Ruhr. Das Projekt "Potenziale entwickeln – Schulen stärken". Weinheim : Beltz Juventa 2021, S. 277-300
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